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Zur Wirtschaftlichkeit der Neubaustrecke Stuttgart - Ulm

Plädoyer für einen bedarfsgerechten Ausbau

von Klaus Arnoldi

1. Einleitung

Der Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) in Deutschland kann keine vergleichbaren Erfolge vorweisen wie in Frankreich oder Japan. Trotz hoher Investitionen in neue Strecken konnten weder die Zahl der Reisenden noch die Verkehrsleistung deutlich gesteigert werden. Zwischen 1994 und 2001 ist die Anzahl der Reisenden im Fernverkehr von 139,3 sogar um 2,2 Prozent auf 136,3 Millionen Personen zurückgegangen. Nur die Verkehrsleistung konnte von 34,8 Milliarden Pkm um 1,4 Prozent auf 35,3 Milliarden Pkm gesteigert werden. [1] Im Vergleich mit anderen Ländern ist das deutsche HGV-Netz das langsamste der Welt. [2] Die Frage nach dem Nutzen der gewaltigen Investitionen ist berechtigt.

Noch ist das HGV-Netz in Deutschland nicht komplett. Zwischen den einzelnen HGV-Abschnitten klaffen noch beträchtliche Lücken, die geschlossen werden sollen. Der Weiterbau der HGV-Strecke von Mannheim über Stuttgart nach München befindet sich immer noch im Planungsstadium und die Finanzierung der Maßnahmen ist nicht gesichert. Der nachfolgende Artikel beleuchtet die Probleme und stellt eine wirtschaftlich günstigere Alternative zur derzeitigen Planung vor.

2. Planungsgeschichte

Erste Überlegungen zu einem Schnellfahrnetz der Deutschen Bundesbahn gehen auf das Jahr 1964 zurück. Die Ergebnisse der 200 km/h-Versuchsfahrten mit der E 03 und die erfolgreichen Demonstrationsfahrten zwischen Augsburg und München anlässlich der Internationalen Verkehrsausstellung in München 1965 hatten gezeigt, dass die DB technisch für den Schnellverkehr gerüstet war. Allein das historisch gewachsene Streckennetz war für diesen Zweck nicht vorbereitet.

Für die südliche Querachse von Mannheim nach München sahen die Ausbaupläne verschiedene Aus- und Neubauten vor In dem Abschnitt Mannheim ­ Stuttgart war von Anfang an ein längerer Neubauabschnitt geplant. Im Knoten Stuttgart und in dem dicht besiedelten und engen Filstal bis Geislingen waren keine Ausbaumaßnahmen vorgesehen. Erst ab Geislingen sollte ein weiterer Neubauabschnitt die Strecke bis Dinkelscherben verkürzen. Der Abschnitt Dinkelscherben ­ Augsburg sollte für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h aufgerüstet werden. Bestandteil dieses Vorschlags war fataler Weise die Umfahrung Ulms, was zu jahrelangen Diskussionen und letztendlich zum Scheitern dieser Planungen führte.

Topographisch gesehen stellt der Abschnitt Stuttgart ­ Ulm die schwierigste Hürde dar. Die Schwäbische Alb, ein Mittelgebirgszug aus verkarstetem Dolomitgestein mit Höhen von bis zu 900 Meter, muss überwunden werden. Der heutige Albaufstieg an der Geislinger Steige zeigt Merkmale einer Gebirgsbahn, mit Steigungen bis zu 25 Promille und engen Kurven, die auch heute noch Schubdienste im Güterverkehr erforderlichen machen. Der nachfolgende Abschnitt von Ulm nach Augsburg gleicht eher einer Flachbahn, die eine einfache Trassierung erlaubt.

Bis in die neunziger Jahre verfolgte die DB die Planung einer güterzugtauglichen Ausbau-/Neubaustrecke durch das Filstal ­ bekannt als Kombinationstrasse ­ weiter. Kernstück dieser Planungen war ein ca. 23 Kilometer langer Tunnel zwischen Süßen und Westerstetten, mittels dessen die Schwäbische Alb gewissermaßen unterfahren werden sollte. Der Bau dieses Tunnels wurde von Geologen als äußerst problematisch eingestuft. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass im Bereich des Knoten Stuttgart, im Abschnitt Stuttgart-Zuffenhausen ­ Plochingen keinerlei Ausbaumaßnahmen vorgesehen waren.

Neu belebt wurde die Diskussion 1988 durch den Vorschlag von Prof. Gerhard Heimerl, der alternativ zur DB-Planung eine Neubaustrecke entlang der Autobahn Stuttgart ­ Ulm (A8) präsentierte und damit eine durchgehende Strecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr vorsah mit einem Durchgangsbahnhof in Stuttgart. Die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm sollte auf 28 Minuten schrumpfen, die allerdings wegen den großen Steigungen nur von den stärker motorisierten ICE3-Fahrzeugen erreicht würde.

Der Vorschlag von Prof. Heimerl, die sogenannte H-Trasse, stieß auf breite politische Zustimmung und wurde ab 1992 den Planungen der DB zu Grunde gelegt. Parallel zur Frage der Trassenwahl entwickelte sich in Stuttgart eine Diskussion um einen neuen Hauptbahnhof als Ersatz für den bestehenden Kopfbahnhof. Verschiedene Alternativen zu einem neuen Durchgangsbahnhof wurden diskutiert und wieder verworfen. Aus der Idee von Prof. Heimerl, den bestehenden Kopfbahnhof mit einem viergleisigen Tunnelbahnhof für den Schnellverkehr zu unterfahren, entwickelte sich schließlich das Projekt Stuttgart 21 [4].

Bei Stuttgart 21 sollen alle Gleisanlagen im Stadtzentrum einschließlich der Zulaufstrecken geräumt werden. Dadurch würden über 100 Hektar Land frei, die für die Stadtentwicklung genutzt werden könnten. Durch den Verkauf des wertvollen Bahngeländes sollte das Projekt zu einem erheblichen Teil mitfinanziert werden.

Obwohl die Ausbau-/Neubaustrecke Stuttgart ­ Augsburg seit 1985 im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans enthalten ist, war sie nicht Bestandteil des Fünfjahresplans 1998 ­ 2002 und damit auch finanziell nicht abgesichert. Unter dem Eindruck der Kostenexplosion bei verschiedenen Großprojekten wie dem Lehrter Bahnhof in Berlin und der NBS Köln­Frankfurt erklärte die DB 1999, dass sie die Neubaustrecke Stuttgart­Ulm erst nach dem Jahre 2010 realisieren könne. Das Land Baden-Württemberg bot daraufhin eine Vorfinanzierung der Strecke an.

Die Realisierung des Projekts steht unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit und über den Bau soll erst nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens entschieden werden.

3. Die H-Trasse nach dem derzeitigen Planungsstand

Das ursprüngliche Konzept einer autobahnnahen Trasse von Prof. Heimerl erfuhr verschiedene Ergänzungen. Die wichtigste Änderung betrifft den Stuttgarter Hauptbahnhof selbst. Statt des viergleisigen, unterirdischen Durchgangsbahnhofs für den Hochgeschwindigkeitsverkehr soll mit dem Projekt Stuttgart 21 der vorhandene Kopfbahnhof aufgehoben und in einen nur noch achtgleisigen unterirdischen Tunnelbahnhof umgewandelt werden.

Der um 90 Grad gedrehte Bahnhof erzwingt auch die Verlegung der Zulaufstrecken. Die heutige Trasse der Gäubahn muss aufgegeben werden. Die Züge der Gäubahn müssen bis zur Höhe des Flughafens die HGV-Strecke mitnutzen und werden dann über eine 180°-Kurve in den bestehenden S-Bahnhof Flughafen geführt. Die Ausfädelung ist höhenfrei. Ab Flughafen wird die Strecke der S-Bahn mitbenutzt und im Bereich von Stuttgart-Rohr wird der Verkehr über die neu zu bauende Rohrer Kurve an die bestehende Gäubahn in Richtung Böblingen angebunden.

Eine weitere Änderung betrifft die Streckenführung südlich von Stuttgart. Auf Wunsch der Landesregierung soll der Flughafen Stuttgart direkt an die Neubaustrecke angebunden werden. Dies erforderte die Verlegung der Strecke nach Süden und eine Verlängerung um ca. 5 Kilometer. Nach den gegenwärtigen Planungen verläuft die Strecke im Bereich des Flughafens nördlich der Autobahn, ca. 700 Meter entfernt zum Flughafenterminal. Um diese Distanz zu überbrücken, soll südlich der Autobahn ein neuer Bahnhof für den Fernverkehr entstehen. Dieser Bahnhof wird in Richtung Ulm zweigleisig und höhenfrei an die Neubaustrecke angebunden. Westlich in Richtung Stuttgart Hbf ist jedoch ­ aus Kostengründen ­ nur eine eingleisige Anbindung mit der Option eines zweigleisigen höhenfreien Anschlusses vorgesehen.

Die dritte Änderung betrifft die Überleitung zur Regionalbahn Plochingen ­ Tübingen. Im Bereich von Wendlingen wird die Neubaustrecke über eine eingleisige und niveaugleiche Ausfädelung ­ der sog. Kleinen Wendlinger Kurve ­ an die Neckartalbahn in Richtung Reutlingen/Tübingen angeschlossen.

Im Verlauf der 84 Kilometer langen Strecke sind große Höhenunterschiede zu überwinden. Aus dem unterirdischen Bahnhof führt die Strecke in zwei Tunnelröhren zum ca. 150 Meter höher gelegenen Flughafen. Ab dem Flughafen verläuft die Strecke parallel zur Autobahn und führt von den Filderhöhen wieder ca. 100 Meter hinunter ins Neckartal, wo der Anschluss an die Neckartalbahn hergestellt wird. Von dort steigt die Strecke dann wieder kontinuierlich zur Schwäbische Alb an und erreicht vor Merklingen ihren höchsten Punkt mit 744 Meter. Ab Merklingen fällt sie wieder bis in den Bahnhof Ulm. Der Albanstieg wird in zwei Tunneln mit zusammen 13,5 Kilometern Länge bewältigt.

Die dreifache Verknüpfung der HGV-Strecke mit der bestehenden Bahninfrastruktur ­ neuer Flughafenbahnhof, Anbindung Gäubahn und Überleitung zur Neckartalbahn ­ führen zu einer erheblichen Mehrbelastung südlich von Stuttgart, die die Leistungsfähigkeit der HGV-Strecke stark einschränkt. Ein Fahrplandiagramm soll dies verdeutlichen. Unterstellt werden für die HGV-Strecke nach Ulm zwei ICE-Züge, die im Halbstundentakt am Flughafen halten und ein ICE, der ohne Halt nach Ulm bzw. München fährt.Auf der Gäubahn werden stündlich ein Zug des Fernverkehrs nach Zürich bzw. Konstanz sowie zur Hauptverkehrszeit (HVZ) zwei vertaktete Züge des Regionalverkehrs eingeplant. Zur Anbindung des Raums Reutlingen/Tübingen an den Flughafen werden ebenfalls in der HVZ zwei Züge des schnellen Regionalverkehrs unterstellt. Für diese Relationen könnte ab Stuttgart folgendes Fahrplanbeispiel entwickelt werden:

Zeit Zug Richtung
00 ICE Flughafen ­ Ulm
04 CIS Zürich
08 RE Tübingen
12 RE Singen
21 ICE Ulm ­ München
30 ICE Flughafen ­ Ulm
38 RE Tübingen
42 RE Singen

Das Diagramm zeigt die hohe Streckenauslastung im Abschnitt Hbf - Flughafen . Mit acht Trassen pro Stunde ist dieser Abschnitt gut ausgelastet. Da die HGV-Strecke den gesamten Verkehr der Gäubahn aufnehmen muss und zusätzlich noch den schnellen Regionalverkehr nach Tübingen, bleibt für die Fahrplangestaltung auf der HGV-Strecke noch eine Trasse zur Minute 51 frei (gepunktete Linie).

Die theoretisch noch möglichen Trassen mit Abfahrt zur Minute 25 und 55 werden als Reservetrassen für einen stabilen Betriebsablauf nicht belegt. Vier Trassen für den Regionalverkehr sind notwendig, um die Relationen Karlsruhe, Heilbronn, Aalen und Göppingen mindestens einmal pro Stunde umsteigefrei an den Flughafen anzubinden.Vorteilhaft für die Fahrplangestaltung ist, dass für die Züge in Richtung Ulm und in Richtung Singen zwei Bahnhöfe mit vier Bahnsteigkanten zur Verfügung stehen. Die Fahrplangestaltung wird aber erschwert durch die eingleisige östliche Anbindung des Flughafenbahnhofs und die eingleisige kleine Wendlinger Kurve. Damit sind Konflikte in der Fahrplangestaltung von Fern- und Regionalverkehr programmiert.

4. Bewertung der H-Trasse im HGV-Netz

Die Neubaustrecke wurde ursprünglich für den Hochgeschwindigkeitsverkehr geplant, aber mit der Planung zu Stuttgart 21 ist daraus im Abschnitt Hbf ­Wendlingen eine Mischverkehrstrecke geworden. Die Grundsätze der Strategie Netz 21, die Trennung von schnellen und langsamen Verkehren, werden ignoriert. Für den HGV-Verkehr bleiben nur vier in ihrer Zeitlage sehr eingeschränkte Trassen übrig.

Nachteilig ist auch der politisch gewollte Zwischenstopp am Flughafen. Wenn dieser Halt, nur 12 Kilometer vom Hbf entfernt, bedient wird, verlängert sich die Fahrzeit um 5 Minuten. Damit sind eine Halbierung der Fahrzeit und eine Systemzeit von einer halben Stunde zwischen Stuttgart und Ulm nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass sich die Rahmenbedingungen seit Beginn der Planungen verändert haben. Seit 1991 führt der schnellste Weg von der Isar an den Main über Stuttgart. Mit Fertigstellung der Neubaustrecke Nürnberg ­ Ingolstadt ­ München werden die Verkehrsströme in Richtung Norden wieder auf die fränkische Linie über Würzburg zurückverlagert mit der Konsequenz, dass sich die Wirtschaftlichkeit des Projekts verschlechtert: Bisher war das Fahrgastaufkommen der Relation München ­ Frankfurt voll in die Kalkulation der Neubaustrecke und von Stuttgart 21 eingerechnet worden.

Zur Verlagerung der Verkehrströme hat auch die Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen. In der alten Bundesrepublik verliefen die Hauptverkehrsströme in der Form einer Großen Acht von Hamburg über Köln bzw. Hannover nach Frankfurt, und teilten sich von dort wieder in zwei Äste über Mannheim/Stuttgart einerseits und Würzburg/Nürnberg andererseits bis München. Im wiedervereinigten Deutschland verteilen sich die Verkehre auf ein breiter gefächertes Netz, in dem Stuttgart und München jeweils Endpunkte sind. Die Verbindung von Stuttgart nach München gehört nicht mehr zum Kernnetz, sondern hat eher den Charakter einer Tangentialen .

Von politischer Seite wird daher verstärkt die Bedeutung der Strecke im Ost/West-Verkehr hervorgehoben. Die Initiative von 25 Städten zugunsten der "Magistrale für Europa", die von Paris über Strasbourg und Stuttgart nach München, Wien und Budapest reicht, wird an der mangelnden Wirtschaftlichkeit nichts ändern können [5]. Nicht nur, dass sich mit der Linie über Saarbrücken ­ Frankfurt ­ Nürnberg eine gleichwertige Alternative anbietet, sondern auch, weil das Aufkommen allein nicht ausreicht, um den teuren Neubau zu rechtfertigen. Der zögerliche Ausbau der POS (Paris ­ Ostfrankreich ­ Südwestdeutschland) auf französischer Seite bestätigt diesen Sachverhalt.

Eine zusätzliche Nutzung der Strecke im Abschnitt Wendlingen ­ Ulm durch nächtlichen Güterverkehr ist ausgeschlossen. Die bis zu 35 Promille großen Steigungen im Bereich des Albaufstiegs machen dies unmöglich. Trotzdem werden in den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren 60 Güterzüge und 20 Schnellgüterzüge unterstellt, um die Wirtschaftlichkeit der Strecke besser darstellen zu können [6]. Selbst bei leichten Schnellgüterzügen dürften der höhere Energieverbrauch und die höheren Trassenpreise den Vorteil einer möglicherweise kürzeren Fahrzeit kaum rechtfertigen. Die Kosten für die H-Trasse werden mit 1,7 Milliarden Euro für den 58 Kilometer langen Abschnitt Wendlingen ­ Ulm und 2,9 Milliarden Euro für das Projekt Stuttgart 21 angegeben. Um die Baukosten für den 26 Kilometer langen Abschnitt Stuttgart ­ Wendlingen abzuschätzen, werden diese anhand der Zahlen für Wendlingen ­ Ulm hochgerechnet. Dies ergibt ein Volumen von 0,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch die Kosten für den Flughafenbahnhof mit den separaten Anschlussgleisen in Höhe von ca. 100 Millionen Euro. Die H-Trasse kostet somit in Summe 2,6 Milliarden Euro. Dass damit der Kostenrahmen weitgehend ausgeschöpft ist, beweisen die Kosten sparende Auslegung der eingleisig und höhengleichen Wendlinger Kurve sowie die nur eingleisige östliche Anbindung des Flughafenbahnhofs. Bekannt ist auch, dass die Flughafengesellschaft für den Bau des neuen Flughafenbahnhofs einen Kostenzuschuss von 50 Millionen Euro leisten muss.

5. Überlegungen zu einer Alternativ-Trasse

Die hohen Kosten und die geringe Netzwirkung sind sicherlich Gründe, dass die DB entschieden hat, mit dem Bau erst nach 2010 zu beginnen. Eine höhere Priorität genießt die Strecke Frankfurt ­ Mannheim und die Mottgers-Spange, mit denen Lücken im HGV-Netz geschlossen werden. Aus Sicht der Bahnkunden wäre die Verschiebung des Ausbaus wenig verständlich. Die Reisezeit zwischen Stuttgart und Ulm und weiter nach München ist schon heute im Vergleich zum Individualverkehr nicht konkurrenzfähig. Wenn die parallel verlaufende Autobahn A8 in wenigen Jahren sechsspurig ausgebaut ist, dürfte sich die Wettbewerbssituation zulasten der Bahn weiter verschlechtern.

Da der Bau einer reinen HGV-Strecke derzeit nicht finanzierbar ist, ist es notwendig, sich Gedanken über kostengünstigere und effizientere Maßnahmen zu machen. Ziel ist die Optimierung der Reisezeit und der Auslastung.

Hierbei sind zu berücksichtigen:

  1. die Verkürzung der Reisezeit im Fernverkehr,
  2. die Erhöhung der Streckenauslastung,
  3. die Verbesserung des Nahverkehrs auf der bestehenden Strecke,
  4. Beseitigung der Nachschubdienste im Güterverkehr an der Geislinger Steige,
  5. Lärmsanierung entlang der Strecke.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, welche Zeitgewinne erforderlich sind, um einen vertakteten Fernverkehr auf der Strecke und zur Erschließung des Alpenvorlands zu erreichen. Nicht die Forderung "So schnell wie möglich", sondern die Frage "So schnell wie nötig" bestimmen die Überlegungen. Die Reisezeit zwischen Frankfurt und München beträgt heute 3,5 Stunden. Planungen der DB AG geben als Wunschzeit 2,5 Stunden an, dies würde aber immense Investitionen erfordern [7]. Betrachtet man die Zeitintervalle zwischen den Halten in Mannheim, Stuttgart, Ulm und Augsburg, so fällt auf, dass zwischen Mannheim und Stuttgart trotz Neubaustrecke keine Systemzeit von einer halben Stunde erreicht wird.

Der "überdehnte" Knoten in Stuttgart kann durch eine Systemzeit von einer ¾ Stunde zwischen Stuttgart und Ulm in die Taktlage von einer 1,5 Stunden zwischen Mannheim und Ulm gebracht werden. Zwischen Ulm ­ Augsburg und Augsburg ­ München sollte dagegen eine Systemzeit von einer halben Stunde erreicht werden. Wegen der Erschließungsfunktion der Knoten Ulm und Augsburg für das Allgäu ist eine Fahrzeitverkürzung von ca. 12 Minuten vordringlicher, um optimale Übergänge zum Fernverkehr in beiden Richtungen herzustellen. Bemerkenswert ist, dass diese Verbesserungen, die wegen der einfacheren Topographie viel kostengünstiger und schneller zu realisieren wären, derzeit nicht Bestandteil der Planungen sind.

Zeitreserven zwischen Stuttgart und Ulm können für zusätzliche Halte in Plochingen und Göppingen genutzt werden. Für die weiteren Überlegungen wird eine Systemzeit von einer ¾ Stunde zugrunde gelegt. Für die Relation Stuttgart ­ München ergäbe sich eine Systemzeit von 1 ¾ Stunde. Dieser ITF Grundtakt schließt aber nicht aus, dass einzelne zusätzliche Züge schneller verkehren. Ein weiterer Aspekt ist die Streckenauslastung. Damit alle Züge des Fernverkehrs, also auch die mit Halt in Göppingen, einen Nutzen von dem Ausbau haben, wäre die Strecke als Bündelungstrasse ­ nicht mit der Autobahn, sondern mit der bestehenden Strecke ­ vorzusehen. Um die Auslastung der Strecke zu verbessern, sollte sie auch für Güterzüge befahrbar sein. Anzustreben wäre also ein Ausbau, der der Netzkategorie "Leistungsstrecke für den gemischten Personen- und Güterverkehr" zuzuordnen wäre.

6. Beschreibung der Alternativ-Trasse

Von Stuttgart bis Göppingen verläuft die Strecke relativ eben, führt aber durch das dicht besiedelte Fils- und Neckartal. Die Streckengeschwindigkeit beträgt schon heute bis zu 150 km/h. Ein Ausbau auf 160 km/h ist weitgehend ohne gravierende Eingriffe in die Bebauung möglich. Wo dies nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist, etwa bei Mettingen oder bei Altbach, sollte darauf verzichtet werden. Ab Göppingen in Richtung Ulm beginnt der topographisch schwierigere Abschnitt mit der Geislinger Steige als Steilrampe auf die Schwäbische Alb. Ab Amstetten erlaubt die Trassierung im Lonetal wegen enger Radien keine hohe Geschwindigkeit. In diesem weniger stark besiedelten Abschnitt ist ein Neubau für eine Geschwindigkeit bis 250 km/h machbar.

Zur Entmischung des schnellen und langsamen Verkehrs ist ein durchgehend viergleisiger Ausbau anzustreben. Dadurch kann die Streckenkapazität erheblich gesteigert werden. Zur Nutzung für Güterzüge sollte die Streckenneigung den Grenzwert von 12,5 Promille nicht übersteigen. Dies ist bis auf wenige Abschnitte, in denen 15,5 Promille erreicht werden, realisierbar.

Im Ergebnis führt dies zu einer Strecke, die sich an der ehemaligen K-Trasse orientiert, im Gegensatz aber zu dieser ist das Geschwindigkeitsniveau im unteren Filstal auf max. 160 km/h begrenzt . Dies erspart kostenintensive Eingriffe in die Bebauung und senkt die Belastung durch Lärm erheblich.

6.1 Fahrzeiten

Die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm beträgt für diese Strecke 34 Minuten. Bei der Berechnung wurde die Fahrschaulinie eines ICT zugrunde gelegt. Dieses Fahrzeug kann ab Untertürkheim den Abschnitt bis Göppingen durchgehend mit 160 km/h befahren. Der anschließende Neubauabschnitt wird mit der Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h befahren. Bei einem ICE3 verlängert sich die Fahrzeit nur unwesentlich auf 35 Minuten, weil im Abschnitt Untertürkheim ­ Plochingen und in Göppingen wegen enger Radien nur 140 km/h erreicht werden können. In dem Neubauabschnitt über die Schwäbische Alb können dagegen 250 km/h erzielt werden. Die Fahrzeiten gelten für durchgehende Züge. Sie bieten bei einer Systemzeit von einer ¾ Stunde ausreichend Reserven, um zwei Zwischenhalte in Plochingen (Anschlussverkehr von der Neckarbahn) und Göppingen herzustellen. Gegenüber dem heutigen Fahrplan beträgt der Zeitgewinn 20 bzw. 19 Minuten oder ca. 33 Prozent. Weitere Ausbaumaßnahmen zwischen Ulm und Augsburg vorausgesetzt, ist München dann ca. 1 Stunde 40 min von Stuttgart entfernt statt 2 Stunden 10 min heute.

6.2 Streckenkapazität

Um die Leistungsfähigkeit der Strecke im Mischverkehr zu untersuchen, wurde auf der Basis dieser Zeitwerte ein Fahrplandiagramm erstellt . Unterstellt werden zwei durchgehende Züge des Fernverkehrs alle halbe Stunde, denen in kurzem Abstand jeweils ein IC mit Halt in Plochingen und Göppingen folgt.

Zwischen diesen Fahrplanlagen lässt sich in dem Abschnitt zwischen Untertürkheim und Beimerstetten ein langsam fahrender Zug mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/h unterbringen. Damit ist eine Grundauslastung der Strecke mit vier schnellen Zügen des Personenfernverkehrs und zwei langsam fahrenden Zügen je Stunde und Richtung garantiert. Im Mischbetrieb kann die Strecke mit 12 Zügen pro Stunde deutlich besser ausgelastet werden als die H-Trasse.

6.3 Lärmsanierung im Filstal

Der Ausbau der bestehenden Strecke bietet die Chance, in dem dicht besiedelten Filstal Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen. Diese wären wegen der Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h nicht zwingend erforderlich, sollten aber im Bereich der Ortsdurchfahrten insbesondere im Hinblick auf den Güterverkehr ergriffen werden. Beim Bau der H-Trasse würde zwar der schnelle Personenverkehr verlagert, der schwere Güterverkehr aber würde weiterhin durch das Filstal rollen, ohne dass eine Aussicht auf Lärmschutz bestehen würde.

6.4 Schätzung der Kosten

Zur Abschätzung der Kosten wird mit Standardkostensätzen gerechnet werden, die je nach Aufwand mit 5 bis 30 Millionen Euro angesetzt wurden.

Im Ergebnis summieren sich die Kosten für die rund 88 Kilometer lange Strecke auf 1,4 Milliarden Euro. Auf dem 46 Kilometer langen Neubauabschnitt Göppingen ­ Ulm mit dem Albaufstieg entfallen ca. 0,9 Milliarden Euro und auf den Ausbau der bestehenden Strecke Stuttgart ­ Göppingen ca. 0,5 Milliarden Euro. Damit sind die Baukosten einer kombinierten Aus- und Neubaustrecke deutlich geringer als bei einer reinen HGV-Strecke. Hinzu kommt, dass im Bereich der Ausbaustrecke notwendige Sanierungskosten an der Bestandsstrecke teilweise enthalten sind.

7. Betrachtung der Wirtschaftlichkeit

Zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit wird eine stark vereinfachte Rentabilitätsrechnung für dieVerkehre zwischen Stuttgart und Ulm durchgeführt. Als Erlöse werden die Trasseneinnahmen entsprechend dem Trassenpreisschema der Deutschen Bahn angesetzt [8]. Diesen Erlösen werden die laufenden Betriebsausgaben gegenüber gestellt. Auf die Anrechnung der Abschreibungen sowie der Zinsen für die Vorfinanzierung wird zugunsten einer einfachen Darstellung verzichtet. Als Ergebnis wird eine Rentabilitäts-Kennziffer (Gewinn im Verhältnis zu den Baukosten) ausgewiesen, die es erlaubt, beide Alternativen zu bewerten.

Der Trassenpreis für die H-Trasse errechnet sich aus der Streckenkategorie multipliziert mit dem Produktfaktor. Für die 84 Kilometer lange H-Trasse ergeben sich Trassenkosten von 468,47 Euro je Zug. Für die Alternativ-Trasse beträgt der Trassenpreis 399,30 Euro für Fernverkehrszüge und 258,85 Euro für Güterzüge. Der rund 15 Prozent niedrigere Tarif erklärt sich aus den unterschiedlichen Streckenkategorien, die in die Berechnung eingehen. Da bei der Alternativtrasse die Hälfte der Strecke nur auf einer max. mit 160 km/h befahrbaren Ausbaustrecke verläuft, ist der Trassenpreis entsprechend niedriger. Die Betriebskosten werden mit 50.000 Euro pro Streckenkilometer und Jahr angesetzt.

Zur Berechnung der Erlöse der H-Trasse muss zunächst die Auslastung nach Inbetriebnahme ermittelt werden. Im Fahrplan 2003 bedienen zwei ICE- und zwei IC-Linien die Abschnitte Mannheim ­ München bzw. Karlsruhe ­ München im 2-stündlichen Rhythmus, das heißt zwei Züge ­ ein ICE und ein IC ­ je Stunde. Unterstellt wird weiterhin, dass nach Inbetriebnahme der HGV-Strecke eine Nachfragesteigerung von 50 Prozent eintritt. Damit erhöht sich die Zugzahl auf 3 ICE/IC je Stunde. Ferner wird angenommen, dass ein ICE im Bahnhof Flughafen hält und ein weiterer Zug die Neubaustrecke non-stop befährt. Außerdem wird unterstellt, dass wegen der Anbindung von Göppingen weiterhin ein IC nach Ulm auf der Stammstrecke verkehren wird. Für die NBS Stuttgart­Ulm ergibt dies 32 Züge pro Tag und Richtung (bei 16 Zügen pro Linie), in Summe 64 Züge pro Tag, die die Neubaustrecke in voller Länge befahren werden.

Die gleichen Fahrplan-Überlegungen sind auch für die Alternativ-Trasse anzustellen. Zu fragen ist, ob die gleiche Nachfragesteigerung zu Grunde gelegt werden darf wie bei der H-Trasse, weil die Fahrzeit sechs bis sieben Minuten länger ist. Diese Frage wird hier bejaht, weil die Fahrzeit eines durchgehenden Zuges in etwa gleich ist mit der eines IC auf der H-Trasse, der am Flughafenbahnhof hält. Unterstellt werden für die Alternativ-Trasse zwei ICE je Stunde im Halbstundentakt und ein IC in den Systemzeiten des ITF, der die Halte in Plochingen und Göppingen bedient. Insgesamt werden drei Verbindungen pro Stunde für die Relation Stuttgart ­ Ulm angenommen. Hinzu kommen 100 Güterzüge, die zur Hälfte nachts verkehren.

Aus den Trassenkosten und der Anzahl der Züge ergeben sich folgende Einnahmen:

1. H-Trasse mit 64 Zügen pro Tag:
Trassenerlöse p.a.: 10,9 Mio.
Betriebsergebnis: 6,7 Mio.
Baukosten (geschätzt): 2,6 Mrd.
Rentabilitäts-Kennziffer: 0,26 %
2. A-Trasse mit 96 +100 Zügen pro Tag:
Trassenerlöse p.a.: 23,4 Mio.
Betriebsergebnis: 19,0 Mio.
Baukosten (geschätzt): 1,4 Mrd.
Rentabilitäts-Kennziffer: 1,33 %
Obwohl die Trassenpreise je Zug bei der Alternativ-Trasse niedriger sind als bei der H-Trasse, führt die dreifach höhere Belegung der Strecke zu höheren Trasseneinnahmen pro Jahr und zu einem deutlich besseren Betriebsergebnis. Bezogen auf die Investitionskosten ist die Rentabilitätskennziffer um den Faktor 5 höher als bei der H-Trasse. Die hohen Baukosten und die geringere Auslastung der H-Trasse wirken sich negativ auf deren Rentabilität aus.

8. Vergleich der beiden Alternativen

Vergleich der Kapazitäten der beiden Alternativen H und A
Züge 2003 + 50 % H-Trasse*) A-Trasse
ICE/IC je Stunde 2 3 2 3
ICE/IC je Tag u. Richtung 32 48 32 48
Fernverkehr pro Tag 64 96 64 96
Güterverkehr pro Tag 100 100
Summe Züge pro Tag 164 64 196
) ein IC verbleibt auf der Stammstrecke zur Anbindung von Göppingen und Plochingen

Vergleicht man die beiden Alternativen, so ist festzustellen, dass die Investitionen in eine reine HGV-Strecke deutlich höher sind als bei einer kombinierten Leistungsstrecke für den Personen- und Güterverkehr. Der um 1,2 Milliarden Euro höheren Investition steht kein entsprechender Nutzen gegenüber: Weder ergibt sich bei der Reisezeit für die Mehrzahl der Züge wegen des Halts am Flughafen ein deutlicher Zeitgewinn, noch lässt sich die Kapazität der Strecke durch zusätzliche Züge besser ausnutzen. Die Vorteile einer HGV-Strecke können wegen den kurzen Halteabständen nicht genutzt werden.

Anders verhält es sich bei der Alternativ-Trasse. Diese ist nicht als reine HGV-Strecke, sondern als Mischverkehrsstrecke konzipiert. Im Vordergrund steht die Beseitigung von Schwachstellen, wie zum Beispiel der kapazitive Ausbau bis Göppingen, die Vermeidung von Geschwindigkeitseinbrüchen in Plochingen und Göppingen, die Umfahrung der Geislinger Steige und ein Neubauabschnitt auf der Schwäbischen Alb zur Verkürzung der Reisezeit. Eine möglichst kurze Reisezeit ist nicht Ziel, sondern die Verkürzung der Reisezeit in den Zeitintervallen des ITF.

Von dem Ausbau der Stammstrecke profitieren alle Züge: die durchgehenden Fernverbindungen nach München ebenso wie Interregio-Verkehre von Stuttgart nach Lindau bzw. Oberstdorf, die Anbindung Göppingens ebenso wie die Relation Ulm ­ Tübingen. Die Investition von 1,4 Milliarden Euro ermöglicht eine höhere Auslastung und damit höhere Trasseneinnahmen. Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit ergibt sich für die Investitionen in den Streckenausbau ein um den Faktor 5 besseres Ergebnis als bei der reinen HGV-Variante.

Durch die Bündelung mit der bestehenden Stammstrecke ergeben sich zusätzliche Synergien: der Ausbau kommt auch dem Regionalverkehr und Güterverkehr auf der Filstalbahn zugute. Dagegen würden die notwendigen Investitionen in die Stammstrecke, die trotz des Baus der H-Trasse anfallen, weil diese weiterhin den gesamten Güterverkehr aufnehmen müsste, die Gesamtrechnung für die H-Trasse noch verschlechtern. Der Ausbau der Filstalbahn ermöglicht schließlich den Bau von Lärmschutzwänden, die wegen der hohen Belastung mit Güterzügen wünschenswert ist.

Als Nachteil der Alternativ-Trasse wird die fehlende Anbindung des Flughafens angesehen. Dieses Thema sollte aber unabhängig von einer HGV-Strecke neu diskutiert werden. Der Zwischenhalt am Flughafen ist für eine HGV-Strecke eher kontraproduktiv. Würde das oben konstruierte Fahrplanschema zugrunde gelegt, würden von 16 Zügen in der Stunde 14 Züge am Flughafen halten (4 ICE von und nach Ulm, 2 ICE von und nach Zürich, 4 RE-Züge von und nach Tübingen, 4 RE-Züge von und nach Singen). Lediglich 2 Züge von und nach Ulm/München würden ohne Zwischenhalt durchfahren.

Aus betrieblicher und ökonomischer Sicht wäre es sinnvoller, alle Züge über den Flughafenbahnhof zu leiten und die östliche Flughafenanbindung und die Kleine Wendlinger Kurve zweigleisig und kreuzungsfrei auszubauen. Da die HGV-Strecke im Abschnitt Stuttgart ­ Wendlingen eher eine Mischverkehrsstrecke ist, könnte auf den ICE-Bypass am Flughafenbahnhof, der nur von 2 Zügen pro Stunde genutzt wird, verzichtet werden.

9. Zusammenfassung

Das Ergebnis zeigt, dass die Fixierung auf den Hochgeschwindigkeitsverkehr im Abschnitt Stuttgart ­ Ulm zu einer geringen Nutzung und zu hoher Unwirtschaftlichkeit führt. Der Bau von HGV-Strecken ist sehr kostenintensiv und bringt bei kurzen Halteabständen kaum Fahrzeitgewinne. Bei einem Verzicht auf die kürzest mögliche Fahrzeit lassen sich Lösungen finden, die Synergieeffekte auslösen und zu deutlichen Verbesserungen für das Gesamtsystem Bahn im Personen- und Güterverkehr führen. Bemerkenswert ist, dass die ersten Planungen aus den sechziger Jahren zum Ausbau der Strecke ­ mit Ausnahme der Umfahrung Ulms ­ in die richtige Richtung wiesen.

Die geplanten Ergänzungen im HGV-Netz der Deutschen Bahn sollten unter dem Aspekt der Wirtschaftlich neu diskutiert werden. Die geringe Nachfragesteigerung und das relativ niedrige Geschwindigkeitsniveau lassen die enormen Investitionen fragwürdig erscheinen. In jedem Einzelfall ist abzuwägen, ob Investitionen in das Bestandsnetz verbunden mit kurzen Neubauabschnitten nicht die wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellen.

Vergleich der H-Trasse mit der A-Trasse

H-Trasse A-Trasse
Streckenführung Stuttgart ­ Flughafen entlang der A 8 nach Ulm Stuttgart ­ Plochingen ­ Göppingen ­ NBS Ulm
Streckenkategorie (Netz 21) Vorrangstrecke HGV Leistungsnetz für Personen- und Güterverkehr
Länge 84 km 88 km
Höchster Streckenpunkt 744 m 610 m
Max. Steigung 35 %o 15,5 %o (20 %o)
Fahrzeit ICE3/ ICT non-stop 28 min 34 min
Reisegeschwindigkeit 180 km/h 155 km/h
Mit Halt am Flughafen 153 km/h
Anzahl Züge pro Tag 64 Züge 196 Züge
Baukosten (geschätzt) 2,6 Mrd. Euro 1,4 Mrd. Euro
Rentabilitäts-Kennziffer 0,26 % 1,33 %


Anmerkungen

  • 1) Daten und Fakten 2001. Beilage zum Geschäftsbericht der Deutschen Bahn 2001
  • 2) Sven Andersen: "Quo vadis, Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland?", in Eisenbahn-Revue international, H. 11/2002, S. 525ff.
  • 3) "Erster Vorschlag für ein Schnellfahrnetz", in: Chronik Deutsche Bundesbahn ­ 44 Jahre Zeitgeschichte, hrsg. von Horst Weigelt und Ulrich Langner. Hestra-Verlag, Darmstadt, 1989.
  • 4) Jürgen Wedler: "Entwicklung und Effekte des Projekts Stuttgart 21", in ETR ­Eisenbahntechnische Rundschau, Jg. 50 (2001), H. 6, Seite 345-336.
  • 5) Stuttgarter Zeitung vom 8.5.2002 6) Planfeststellungsunterlagen zu Stuttgart 21, Abschnitt 1.1 (2002). Erläuterungsbericht Teil I, S. 38.
  • 7) Ralph Körfgen und Werner Weigand: "Einsatzfelder der ICE-Familie. 10 Jahre ICE ­ Ergebnisse und Perspektiven", in ETR Jg. 50 (2001) S. 324 ­ 337.
  • 8) "Das neue Trassenpreissystem" in: ETR Jg. 50 (2001) S. 295f.

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