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Luftschloss Stuttgart 21

Anmerkungen der Initiative „Leben in Stuttgart e.V.“

Seit über 10 Jahren wird an dem Jahrhundertprojekt Stuttgart 21 geplant. Als im Januar 1995 das Projekt mit viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft aus der Taufe gehoben wurde, war die Euphorie übergroß: 2001 sollte der erste Spatenstich sein und 2008 die Fertigstellung gefeiert werden. Doch der ehrgeizige Zeitplan lief aus dem Ruder. Ernüchterung machte sich breit. Es dämmert die Erkenntnis: Der verkehrliche Nutzen ist zweifelhaft und die Finanzierung steht in den Sternen. Die Bahn hat kein Geld und die öffentlichen Haushalte sind hoch verschuldet. Stuttgart 21 steht vor dem Aus.

Dabei hat alles so hoffnungsvoll angefangen. Am Anfang stand der Entwurf des Stuttgarter Verkehrswissenschaftlers Professor Heimerl, eine neue Schnellbahn nach Ulm abseits des engen Filstals über die Alb entlang der Autobahn zu bauen. Im Stuttgarter Hauptbahnhof sollten unterhalb der bestehenden Gleise zwei zusätzliche Bahnsteige nur für den schnellen ICE-Verkehr gebaut werden.

Sieben auf einen Streich?

Den Politstrategen von Stadt und Land war dies nicht genug. Sie forderten zusätzlich den direkten Anschluss des Flughafens an die Schnellbahn und erklärten die verbleibenden Schienenstränge innerhalb der Stadt als überflüssigen Schienen­schrott. Um Platz für eine Ausdehnung der City zu gewinnen, sollten alle Gleise rausgerissen und der gesamte Schienenverkehr in unterirdischen Röhren geführt werden. Aus dem Verkauf der freiwerdenden Bahnflächen sollte das Milliarden­projekt finanziert werden. Das Synergiekonzept Stuttgart 21 war geboren.

Ein neuer unterirdischer Bahnhof mit „Lichtaugen“, einmalig auf der Welt, ein neues Stadtzentrum mit einem Mailänder und Pariser Platz, die Galeria Ventuno, die Bibliothek des 21. Jahrhunderts, in nur 8 Minuten zum Flughafen und zur neuen Landesmesse, in einer halben Stunde nach Ulm, dazu noch eine Internationale Bauausstellung auf dem ehemaligen Bahngelände und auf dem Prag-Sattel der 400 Meter hohe Trump-Tower, in den Visionen der Planer hatte Stuttgart den Sprung ins 21. Jahrhundert zu einer internationalen Metropole bereits geschafft.

Viele offene Fragen

Kritische Bürger und vor allem die Umweltverbände haben das Vorhaben auf Herz und Nieren geprüft. Stuttgart lebt nicht von Visionen, sondern von einem funktionierenden Verkehrssystem. Hunderttausende wollen morgens in die Stadt und abends wieder hinaus. Kann der nur noch achtgleisige Tunnelbahnhof dies bewältigen? Wo enden die SBahnen bei Störungen im Tunnel? Kann ein Integraler Taktfahrplan eingerichtet werden? Bringt Stuttgart 21 den Anschluss an das internationale Hochgeschwindigkeitsnetz oder wird der nur noch achtgleisige Bahnhof zum größten Nadelöhr des Schienenverkehrs in Baden-Württemberg?

Da ist das Problem der Zulaufstrecken von Feuerbach: Der Erhalt der Gleise durch den Pragtunnel ist zu teuer - außerdem werden weniger Flächen für die Ver­marktung frei. Oder der Bau von zehn Bahnsteiggleisen im Bahnhof, um mehr Anschlüsse herzustellen. Auch das zu teuer, nicht einmal die Erweiterbarkeit ist vorgesehen. Die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 lässt sich, so die Planer, auch steigern, wenn man die Züge nur noch 2 Minuten halten lässt. Und der Integrale Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild? Kein Problem – wenn man die Anzahl der Linien halbiert! Bald wurde unter Fachleuten klar, dass Stuttgart 21 die verkehrliche Situation in Stuttgart nicht wirklich verbessern würde – ja den bestehenden Kopf­bahnhof in seiner Leistungsfähigkeit nicht gleichwertig würde ersetzen können.

Hinzu kommen die ökologischen Probleme wie die Verbauung der Frischluftschneisen und die Gefährdung der Mineralwässer. Unvermeidbar ist die Zerstörung der Mittleren Anlagen. Wie ein schlafendes Krokodil wird der Tunnelbahnhof mit seinem Bullaugenpanzer 13 Meter hoch aus dem Park herausragen. Es geht nicht um die Bewahrung des Lebensraums eines Grashüpfers auf dem Bahnareal, wie Alt-OB Rommel meinte, es geht um das Klima in der Stadt und die Menschen, die dort leben. Die gegenwärtige Feinstaubdebatte lässt grüßen.

Ins Wanken kam das Projekt 1999, als der damalige Bahnchef Ludewig Zweifel an der Wirtschaftlichkeit äußerte. Langsam wurde offenkundig, dass Stuttgart 21 nach kaufmännischen Grundregeln für die Bahn ein Desaster ist. Die Grundstückserlöse decken gerade mal ein Fünftel der Kosten. Der Rest muss durch öffentliche Zuschüsse und Mehrerlöse gedeckt werden. Und das bei einem insgesamt stagnierenden Verkehrsaufkommen.

Weder der Bund noch das Land oder die Stadt sind in der Lage, dieses gewaltige Defizit zu tragen. Wen wundert’s, dass die erst für 2004, dann für Mai letzten Jahres angekündigte Wirtschaftlichkeitsberechnung immer noch nicht vorliegt? Auch mit EU-Zuschüssen kann das Finanzloch nicht gestopft werden, zumal ja auch noch die Neubaustrecke nach Ulm irgendwie finanziert werden muss.

Alternativen

Es ist Zeit, über Alternativen nachzudenken. So wie in Frankfurt und in München. Der Stuttgarter Kopfbahnhof ist nicht von ungefähr der leistungsfähigste Kopfbahnhof im Netz der deutschen Bahn. Mit etwa einem Drittel der Mittel von Stuttgart 21 kann dieser Bahnhof modernisiert, für den schnellen ICE-Verkehr ertüchtigt und der Flughafen und die Neubaustrecke angeschlossen werden. Den Vorteil haben vor allem die Reisenden: Ein modernisierter Kopfbahnhof ermöglicht ein bequemeres Umsteigen, mehr Anschlüsse und bessere Verbindungen als der triste Tunnel­bahnhof. Wie das geht, lesen Sie in diesem Heft.

Gangolf Stocker


Die Initiative „Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kritik der Fachleute der Umwelt- und Verkehrsverbände und ihre Alternativen bekannt zu machen bzw. die demokratische Auseinandersetzung mit Stuttgart 21 zu fördern.

Hätten Sie nicht Lust mitzumachen?

Kontakt:

Initiative „Leben in Suttgart – Kein Stuttgart 21“
c/o Gangolf Stocker, Hornbergstr. 132
70186 Stuttgart
Tel./Fax 0711/766508
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