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Die Alternative: Stuttgart 21 mit Kopfbahnhof (1998)

Hinweis: Dieses Konzept wurde schon 1998 erstellt. In der Nachfolgezeit wurde es mehrfach überarbeitet und Erweitert. Das Konzept liegt auch als PDF vor: S21 Die Alternative Stuttgart 21 Kopfbahnhof Architektenforum 5-1998
S21 mit Kopfbahnhof

Bessere Öko-Bilanz

Geringe Eingriffe – keine Gefahr für Stadtklima und Mineralwasser

Stuttgarts einzigartige Lage im Talkessel hat ihren Preis: Stärker als andernorts müssen die ökologischen Folgen ehrgeiziger Projekte geprüft werden. Eine allzu intensive Bebauung trägt zum Aufheizen des Klimas bei und behindert den notwendigen Sauerstoffaustausch. Um die Lebensqualität in der Stadt zu erhalten, muß entsprechend sensibel mit den natürlichen Gütern umgegangen werden. Dies gilt besonders für Stuttgarts einzigartigen Naturschatz: das bislang reichlich fließende Mineralwasser.

Stuttgart besitzt nach Budapest das größte Mineralwasservorkommen in Mitteleuropa. Dies ist ein einzigartiger und nicht ersetzbarer Naturschatz von internationaler Bedeutung. Zahlreiche Kurbäder hängen existenziell von dem kostbaren Naß ab. Zum Schutz des Mineralwassers sollen das Nesenbachtal und der Neckargrund als Heilquellenschutzgebiet ausgewiesen werden, in dem keine größeren Tiefbaumaßnahmen erfolgen dürfen.

Gefährdung des Mineralwassers

Durch Eingriffe in die schützenden geologischen Deckschichten könnten die heute noch sprudelnden Quellen gefährdet werden. Die Fundamente des Tunnelbahnhofs, aber auch die der geplanten Hochhäuser auf der A-Fläche greifen in diese sensiblen Schichten ein. Selbst wenn ein einzelner Nadelstich vermutlich wenig zerstört, so gibt doch die Vielzahl der Eingriffe Anlaß zur Sorge.

Die bisher vorliegenden Gutachten können ein Restrisiko für die Gefährdung der Mineralwasservorkommen nicht völlig ausschließen. Da die Geologie im Stuttgarter Talgrund sehr unterschiedlich ist, können Probebohrungen keine absolute Sicherheit garantieren. Da man insbesondere bei Tunnelbauten vor bösen Überraschungen nie sicher sein kann, bedeutet dies, daß nur bei einem völligen Verzicht auf die Tunnellösung eine Mineralwassergefährdung ausgeschlossen werden kann.

Gefahr für das Klima im Talkessel

Der Stuttgarter Talkessel wirkt wie eine Wärmefalle. Wegen der vielen versiegelten Flächen und der dichten Bebauung heizt sich die Innenstadt besonders an Hitzetagen kräftig auf. Die in den Gebäuden gespeicherte Wärme wird nachts nicht völlig wieder abgegeben. Die Temperatur in der Stadt steigt immer weiter an. Die globale Klimaerwärmung – die neunziger Jahre waren die wärmsten seit es Wetteraufzeichnungen gibt – tun ein übriges.

Die Folge ist eine Zunahme des Wärmestresses. Bemerkbar macht sich dies in Herz-Kreislauf-Versagen und mangelnder Konzentration. Insbesondere für ältere Menschen wird die Stuttgarter Innenstadt zu einem unzumutbaren Backofen.

Das Gleisvorfeld unterstützt den Luftaustausch in der Innenstadt

Das Gleisvorfeld wirkt als ‘Klimaanlage’

Untersuchungen haben ergeben, daß die ca. 100 Hektar große Gleisfläche eine wichtige klimatische Ausgleichsfunktion erfüllt. Die abgebildete Infrarot-Aufnahme zeigt die Oberflächentemperatur in der Stuttgarter Innenstadt nach der Abkühlung während einer klaren Sommernacht. Die Farbabstufung von Rot (= warm) nach Blau (= kalt) zeigt den Verlauf der nächtlichen Abkühlung.

Die Bahnanlagen kühlen sich in der Nacht schneller ab und führen so auch der angrenzenden Innenstadt frische Luft zu. So erstaunlich das klingt, die Gleisanlagen wirken sich wohltuend auf das Stuttgarter Kesselklima aus.

Wenn die großen Flächen der heutigen Bahnanlagen massiv bebaut werden, geht die wertvolle Klimafunktion des jetzigen Bahnareals verloren. Die Gleisflächen, auf denen die Kaltluft entsteht, fallen weg, gleichzeitig nimmt die bebaute Fläche um ca. 40 Prozent zu und der Luftaustausch wird durch die 60 Meter hohen Hochhäuser behindert. Die Folge ist, daß mit Stuttgart 21 der Wärmestreß in der Stadt ansteigen und sich die Luftqualität im Stuttgarter Talkessel verschlechtern wird.

Die Luft wird schlechter

Wegen der Stuttgarter Kessellage weht der Wind meist über die Stadt hinweg. Der Luftaustausch ist gering, d.h. die Be- und Entlüftung geht nur langsam vor sich. Hinzu kommt, daß die “Automobilstadt” Stuttgart eines der höchsten Kfz-Aufkommen in ganz Deutschland hat mit entsprechend hohen Abgaswerten.

Wachsender Autoverkehr

Ohne konsequente Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wird auch der Autoverkehr in der Stadt zunehmen. Eine Verkehrsberuhigung auf der Schillerstraße ist beim DB-Projekt nicht vorgesehen. Trotz der optimalen Anbindung des neuen Stadtteils an die öffentlichen Verkehrsmittel werden schon heute ca. 4000 Stellplätze zusätzlich geplant. Dies wird noch mehr Verkehr in die Innenstadt ziehen und die heute schon hoch belasteten Einfallstraßen verstopfen. Trotz aller Fortschritte bei den Motoren werden Umweltentlastungen durch den anschwellenden Verkehr zunichte gemacht.

Die (Gleis-) Wüste lebt

Kaum zu glauben, aber die weitläufigen Stuttgarter Gleisanlagen sind zu einem wichtigen Lebensraum für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten geworden: Katzenminze, Sandheuschrecke und Feldhase sind nur einige von fast 700 Arten, die in der „Serengeti am Nesenbach“ nachgewiesen wurden. Deren Überleben kann nur gesichert werden, wenn die Bahngleise oberirdisch bleiben und nicht überbaut werden.

Der Preis für den Tunnelbahnhof ist zu hoch

Wer den Wegzug der Bürger aus Stuttgart bremsen will, muß die Stadt aus jeglicher Unwirtlichkeit heraus zu lebens- und liebenswerten Erlebnisräumen entwickeln. Doch das Bahnprojekt wird nicht nur das Bild der Stadt, sondern auch die Lebensqualität in der Stadt nachhaltig beeinträchtigen.

Damit die Baukosten nicht ausufern, muß die Bahn die Kapazität des Tunnelbahnhofs und der Zulaufstrecken äußerst knapp bemessen. Trotz hoher öffentlicher Zuschüsse bleibt der Vermarktungsdruck für die freiwerdenden Grundstücke bestehen.

Dadurch werden Baudichte und Bauhöhen zunehmen, mit den negativen Folgen für das bisher unverwechselbare Stadtbild und das Klima in der Stadt. Wie Hans im Glück sind Stadt und Bahn bereit, die städtebaulichen und ökologischen Werte Stuttgarts gegen das leere Versprechen von tausenden Arbeitsplätzen zu tauschen. Der Preis ist zu hoch. Deswegen muß der Kopfbahnhof bleiben!

Belüftungsachsen

Belüftungsachsen im Talkessel

Die unten stehende Karte zeigt die großen Belüftungsachsen der Stuttgarter Innenstadt. Die wichtigste davon führt vorbei am Hauptbahnhof über die Gleis- und Parkanlagen zum Neckar. Der Hauptbahnhof und sein Gleisvorfeld liegen dabei an der engsten Stelle des Stuttgarter Talkessels zwischen Kriegsberg und Uhlandshöhe. Durch die geplante massive Bebauung entlang des Mittleren und Unteren Schloßgartens wird der für Stuttgart “lebensnotwendige” nächtliche Nesenbach-Kaltluftstrom gebremst bzw. unterbrochen.

Deshalb fordern Meteorologen, die Gleisflächen entlang des Schloßgartens (A2-Fläche) sowie fast die gesamte Fläche des Abstellbahnhofs (B-Fläche) aus klimatischen Gründen von jeglicher Bebauung freizuhalten. Die übrigen Flächen (A1-Fläche und C-Fläche) sollten nur mit mäßiger Gebäudehöhe – maximal 20 Meter über dem Gleisniveau – bebaut werden.